
Brandenburgs erstaunlichste Orte der Industriekultur entdecken
Apokalyptische Maschinen, die ganze Landschaften umgraben, monumentale Hebewerke, die Schiffe samt Wasser in die Höhe hieven, durchdachte Arbeitersiedlungen vom Reißbrett: Brandenburg ist reich an faszinierenden Relikten des Industriezeitalters.
Einige sind weltweit einzigartig - und die meisten lohnen auch im Winter einen Ausflug. Das touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg empfiehlt erstaunliche Orte für winterliche Erkundungstouren.
Was Sie in diesem Beitrag erwartet:
- Abraumförderbrücke F60: die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt
- Ofenmuseum Velten: europäisches Zentrum der Kachelofenindustrie
- Schiffshebewerke Niederfinow: einzigartiges Ensemble der Ingenieurskunst
- Baruther Glashütte: Glasmacherdorf mit 300-jähriger Tradition
- Gaswerk in Neustadt (Dosse): letzter Zeuge einer vergessenen Technologie
- Eisenhüttenstadt: Leben nach Plan in einer Stadt nach Plan
- Weitere Highlights der Industriegeschichte
Abraumförderbrücke F60: die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt
500 Meter lang, 200 Meter breit, 80 Meter hoch, 11.000 Tonnen schwer: Weithin sichtbar steht die Abraumförderbrücke F60 als stählerner Koloss in den Weiten der Lausitz. Einst war das Bauwerk der ganze Stolz der DDR. Die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt wurde geschaffen, um im Braunkohletagebau gigantische Erdmengen zu transportieren. Nach der Wende entging sie nur knapp der Verschrottung. Heute ist die F60 eines der eindrucksvollsten Industriedenkmäler Brandenburgs.
Höhepunkt ist die 90-minütige Führung über die Förderbrücke. Auf gesicherten Wegen geht es im Inneren der Konstruktion bis auf 74 Meter Höhe, wo sich ein atemberaubender Panoramablick über die junge Landschaft des Lausitzer Seenlandes bietet. Von November bis März starten die Basisführungen mittwochs bis sonntags um 11.30 Uhr, 13.00 Uhr und 14.30 Uhr.
Darüber hinaus werden thematische Führungen angeboten. Eine Reservierung ist erforderlich. Witterungsbedingte Einschränkungen sind möglich.
Ofenmuseum Velten: europäisches Zentrum der Kachelofenindustrie
Aus den meisten Wohnungen sind sie längst verschwunden, doch bis heute gelten sie als Inbegriff der Gemütlichkeit: Kachelöfen. Manche waren schlichte Gebrauchsgegenstände, andere prunkvolle Statussymbole. Das Ofen- und Keramikmuseum in Velten nördlich von Berlin entführt die Besucher in eine der einst größten Kachelofen-Produktionsstätten Europas. Reiche Tonvorkommen machten die Stadt im 19. Jahrhundert über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Spätestens mit der Erfindung der weißen Schmelzglasur gehörte die „Veltener Kachel“ zu den beliebtesten auf dem deutschen und europäischen Markt.
In der ehemaligen Kachelofenfabrik A. Schmidt, Lehmann & Co, gegründet 1872, sind heute auf rund 900 Quadratmetern die historischen Öfen sowie Brennkammern, Kachelpressen und Gießstraßen zu sehen, mit denen die berühmten Tonwaren hergestellt wurden. Erst 2016 wurde die Produktion hier eingestellt.

Interessierte Besucherinnen und Besucher können nach Voranmeldung an thematischen Führungen durch die Ausstellung zur Entwicklung der Kachelofen- und Keramikindustrie, zum Wandel des Ortes zur Industriestadt oder an speziellen Familienführungen teilnehmen. In der ehemaligen Fabrikremise befindet sich auch der Nachlass der deutschen Keramikdesignerin Hedwig Bollhagen (1907-2001), die mit ihren zeitlosen Entwürfen die Keramikindustrie in Velten und Marwitz prägte.
Veranstaltungstipp
Weihnachtsmarkt auf dem Museumshof am 14. und 15. Dezember 2025 mit Kunsthandwerkermarkt, Lichterlabyrinth und einem der größten Adventskalender Brandenburgs.
Schiffshebewerke Niederfinow: einzigartiges Ensemble der Ingenieurskunst
Unübersehbar sind die imposanten Stahlkonstruktionen des Schiffshebewerks Niederfinow. Alt und Neu arbeiten hier Seite an Seite: das 1934 erbaute älteste noch in Betrieb befindliche Hebewerk und das 2022 eingeweihte modernste Hebewerk Deutschlands. Gemeinsam bilden sie ein einzigartiges Ensemble deutscher Ingenieurskunst. Über beeindruckende 36 Meter heben und senken die Anlagen Schiffe auf der Oder-Havel-Wasserstraße.
Die Hebewerke setzen eine über 400-jährige Wasserbaugeschichte in Niederfinow fort, denn bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg wurde der Finowkanal eingeweiht, um den Schiffsverkehr zwischen Oder und Havel zu ermöglichen.

Bei täglichen Führungen erfahren Besucher Spannendes zur Geschichte und Technik der Hebewerke. Für individuelle Erkundungen steht ein Audioguide zur Verfügung. Höhepunkt ist eine Schiffstour. Technik, Architektur und die landschaftliche Weite des Oderbruchs verbinden sich zu einem einzigartigen Erlebnis. Die Fahrten finden mehrmals täglich zwischen März und Oktober statt.
Veranstaltungstipp
Sonderführung „Im Herzen des Hebewerkes“ durch die technischen Anlagen des alten Schiffshebewerkes. Termine: 14., 17., 28. Dezember 2024, weitere Termine: www.schiffshebewerk-niederfinow.com/sonderfuehrung-ins-herz-des-hebewerks/
Baruther Glashütte: Glasmacherdorf mit 300-jähriger Tradition
Handwerk, Industriekultur und Glasmachertradition: Die 1716 gegründete Baruther Glashütte entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zum größten Glasproduzenten der Provinz Brandenburg. Über Jahrhunderte wurden hier, rund 60 Kilometer südlich von Berlin, die unterschiedlichsten Gläser hergestellt - vom Trinkglas bis zum Gärballon. Der wirtschaftliche Durchbruch gelang mit der Produktion von reinem Milchglas für Beleuchtungskörper. Lampenschirme aus diesem Material tauchten einst die Berliner Salons in weiches Licht und waren auf Weltausstellungen gefragt.
Zu den Persönlichkeiten des Ortes gehört Reinhold Burger (1866-1954), der in Baruth seine Karriere als Glastechniker begann und später die Thermoskanne erfand. Heute ist die Baruther Glashütte eine denkmalgeschützte Werkssiedlung, die das immaterielle Kulturerbe der Glasherstellung am Originalschauplatz bewahrt und erlebbar macht. Zahlreiche Handwerksbetriebe, ein Museum, Kunsthandwerkerläden mit Mitmachaktionen sowie gemütliche Gaststätten machen das Glasmacherdorf im Fläming zu einem lohnenden Ausflugsziel.
Im Museum und in der Glaswerkstatt können die Gäste am original erhaltenen Schmelzofen erleben, wie Sand, Kalk und Pottasche bei über 1.300 Grad Celsius zu Kunstwerken verschmelzen. Die Besucher können zuschauen, Fragen stellen und sogar selbst aktiv werden. Im Winter sind das Museum und die Glaswerkstatt von Mittwoch bis Sonntag geöffnet.
An den Öffnungstagen können die Gäste von 11 bis 12 Uhr und von 14 bis 15 Uhr für zehn Euro pro Stück ihre eigenen Glaskugeln blasen. Anschließend findet eine etwa zwanzigminütige Vorführung der Glasmacher statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Gaswerk in Neustadt (Dosse): letzter Zeuge einer vergessenen Technologie
Straßenbeleuchtung mit Gas: Heute kaum vorstellbar. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts nutzte man das meist aus Kohle erzeugte Stadtgas, um Straßen und große Gebäude zu beleuchten. Wie so ein Gaswerk aussah und wie Stadtgas eigentlich hergestellt wurde, erfahren Besucher im 1903 erbauten Gaswerk in Neustadt (Dosse), rund 90 Kilometer nordwestlich von Berlin.
Bis 1980 war das Werk, das seit 1978 unter Denkmalschutz steht, als eines der ältesten noch in Betrieb und produzierte aus Steinkohle neben Stadtgas auch Koks und Teer. Mit der zunehmenden Nutzung der Elektrizität wurde die Gaserzeugung aus Kohle unmodern. Die Gaswerke wurden abgebaut. In Nordeuropa blieb nur ein Gaswerk im Original erhalten: das Gaswerk in Neustadt (Dosse).
Der Förderverein zur Erhaltung des Gaswerkes Neustadt Dosse e.V. betreibt hier ein kleines Museum, in dem Besucher die originale Technik von 1903 mit Ofenhaus, Kohlebunker und Reinigungsraum sowie verschiedene gasbetriebene Geräte besichtigen können. Eine Besonderheit sind der begehbare Gasometer aus Stahl und das historische Maschinenhaus mit dem verzweigten Rohrsystem, durch das das erzeugte Gas direkt zu den Straßenlaternen strömte. Faszinierende Technik zum Anfassen.
Für Kinder und Jugendliche gibt es eine Mitmachausstellung zum Thema Energie. Voranmeldung erforderlich, auch an Wochenenden.
Eisenhüttenstadt: Leben nach Plan in einer Stadt nach Plan
Weitläufige, parkähnlich begrünte Wohnsiedlungen, eine aufwändig gestaltete Magistrale und viel Kunst im öffentlichen Raum: So sah sie aus, die Vision vom sozialistischen Leben. Umgesetzt wurde sie in Eisenhüttenstadt, rund 25 Kilometer südlich von Frankfurt (Oder). Es war die erste sozialistische Planstadt der DDR.
Eine Idealstadt sollte die Wohnstadt des Eisenhüttenkombinats Ost werden, ein Monument der sozialistischen Utopie von der Herrschaft der Arbeiterklasse. Im Stil des sozialistischen Klassizismus entstanden ab 1950 ein Stadtzentrum mit allen Einrichtungen des täglichen Bedarfs und vier Wohnkomplexe. Heute ist die Planstadt eines der größten Flächendenkmäler Deutschlands.
Mittendrin, im Gebäude einer ehemaligen Kinderkrippe, entführt das Museum Utopie und Alltag in zehn Räumen in Alltag, Politik und Gesellschaft der DDR. Die Ausstellungsbereiche geben Einblicke in das Familienleben, berichten über Konsum, Bildung und Kommunikationsmöglichkeiten. Weitere Räume beleuchten den offiziellen „sozialistischen Lebensstil“, aber auch dessen Gegenentwurf, die oppositionellen Milieus der 1980er Jahre. In Wechselausstellungen präsentiert das Museum zudem Teile seiner umfangreichen Sammlungen.

Das Städtische Museum im Ortsteil Fürstenberg präsentiert sich mit seinen vier Abteilungen vielseitig: In der stadtgeschichtlichen Ausstellung erleben die Besucher die fortschreitende Industrialisierung der ehemals mittelalterlichen Stadt Fürstenberg (Oder) und die 1953 erfolgte Gründung der „Stalinstadt“, aus der 1961 Eisenhüttenstadt wurde. Sehenswert ist auch die Kunst- und Gemäldeausstellung. Gezeigt werden Werke regionaler und überregionaler Künstler, wechselnde Kabinettausstellungen präsentieren Schätze verschiedener Gattungen aus der umfangreichen städtischen Kunstsammlung.
Exponate des Feuerlöschwesens vom 16. bis zum 20. Jahrhundert sind im Feuerwehr- und Technikmuseum in der Heinrich-Pritzsche-Straße zu sehen. Zu sehen sind unter anderem alte Feuerwehrfahrzeuge, imposante Leiterwagen und historische Uniformen aus DDR-Zeiten.
Ergänzt wird die historische Sammlung durch das Stadtarchiv Eisenhüttenstadt im Trockendock. Neben einem umfangreichen Aktenbestand verwahrt das Stadtarchiv einen Fundus von weit über 20.000 Fotografien und das umfangreiche Bauaktenarchiv der Planstadt und ihrer Baudenkmäler.
Weitere Highlights der Industriegeschichte
- Ziegeleipark Mildenberg: größte Ziegelei in Europa im 19. Jh. (Achtung: Winterpause bis Ende Februar 2025, www.ziegeleipark.de)
- Die Gartenstadt Marga: älteste Gartenstadt Deutschlands (www.senftenberg.de)
- Patent Papierfabrik Hohenofen: einzigartiges technisches Denkmal mit vollständig erhaltener, historischer Papierproduktionslinie (www.papierfabrik-hohenofen.de)
- Kunstgussmuseum Lauchhammer: deutschlandweit einmalige Sammlung denkmalgeschützter Reliefs und Modelle aus Gips und Metall (www.kunstgussmuseum-lauchhammer.de)
- Familiengarten Eberswalde: kunstvoll gestaltete Gartenanlagen mit Märchenspiellandschaft auf ehemaligem Industriestandort (www.familiengarten-eberswalde.de)
Über Touristisches Netzwerk Industriekultur in Brandenburg
Das touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg setzt sich für den touristischen Austausch der bedeutendsten industriekulturellen Standorte im Land ein, organisiert gemeinsame Marketingmaßnahmen und knüpft Kooperationen mit touristischen Partnern, um Industriegeschichte als Thema und Ausflugsziel bekannter zu machen.
Eingebunden in das Netzwerk ist die ENERGIE-Route der Lausitzer Industriekultur, deren Standorte die Entwicklung des Lausitzer Bergbaus und der Energiegewinnung thematisch bündeln und erlebbar machen.
Das Netzwerk wurde im Juli 2017 in Potsdam als Interessengemeinschaft gegründet. Es arbeitet mit dem bzi - Berliner Zentrum Industriekultur und dem Museumsverband des Landes Brandenburg e.V. zusammen. Gefördert wird die Netzwerkarbeit aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
Weitere Informationen zu dem Netzwerk erhalten Sie unter www.industriekultur-brandenburg.de
Quelle: Touristisches Netzwerk Industriekultur in Brandenburg c/o Tourismusverband Lausitzer Seenland e. V.