2. Oktober 2024, Brandenburg
Expeditionen in vergessene Welten: Brandenburgs Industriegeschichte erleben
Tagebaue, Fabriken, Werkssiedlungen: Brandenburgs bewegte Industriegeschichte hat faszinierende Orte hinterlassen. Auf geführten Touren werden Erfindergeist, Ingenieurskunst und vergangene Arbeitswelten erlebbar. Ein spannendes Thema für einen Herbst- oder Winterausflug in die Region. Das touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg stellt sechs erlebnisreiche Orte mit Führungen vor.
Museumspark Rüdersdorf: Mit dem Geländewagen durch den Tagebau
Er ist der größte und älteste noch aktive Kalksteinbruch Deutschlands: der Kalksteintagebau in Rüdersdorf, rund 20 Kilometer östlich von Berlin. In der Architekturgeschichte der Hauptstadt spielt der hier gewonnene Kalkstein eine herausragende Rolle: Brandenburger Tor, Olympiastadion, Berliner Dom und andere berühmte Bauwerke wurden aus dem robusten, meist gelblich-grauen Material errichtet. Heute erzählt hier ein riesiger Museumspark die Geschichte der Kalksteingewinnung.
Beeindruckendste Sehenswürdigkeit und beliebte Filmkulisse auf dem 17 Hektar großen Gelände ist die monumentale Schachtofenbatterie. Die „Historische Führung“ durch die „Kathedrale des Kalks“ und zu weiteren historischen Produktionsstätten bietet spannende Einblicke in den aufwändigen Herstellungsprozess des Kalksteins und die Arbeitsbedingungen der Menschen. Die „Geo-Tour“ versetzt die Besucher 250 Millionen Jahre zurück in eine Zeit, in der das heutige Steinbruchgelände noch von einem Meer bedeckt war. Dabei können die Teilnehmer selbst nach Fossilien suchen. Action und Abenteuer verspricht die „Steinbruch-Tour“: Mit dem Geländewagen geht es tief hinein in den aktiven Kalkstein-Tagebau.
Der Museumspark Rüdersdorf bietet eine Vielzahl weiterer Themenführungen an, darunter Kräuter- und Fackelwanderungen, Kajaktouren (Mai bis September) und Exkursionen für Schulklassen. Anmeldung erforderlich: kasse@museumspark.de
Barnim Panorama: Vom Pflügen, Mähen und Dreschen
Im Barnim, rund 30 Kilometer nördlich von Berlin, steht ein Heimatmuseum der Superlative. Das Barnim Panorama in Wandlitz vereint Naturparkzentrum und Agrarmuseum in modernster Architektur. Die familienfreundliche Dauerausstellung zeigt die Etappen der Industrialisierung der Landwirtschaft und erläutert deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.
Auf dem Rundgang „Vom Pflügen, Ackern und Dreschen“ erhalten Besucher faszinierende Einblicke in die Entwicklung landwirtschaftlicher Produktionsmethoden. Besonderes Highlight: Ein historischer Traktor wird von einem erfahrenen Experten gestartet. Die Tour wird von echten Kennern historischer Landtechnik geleitet, die viele Details und spannende Fakten aus dem Leben der alten Maschinen preisgeben. Am 13. Oktober um 14 Uhr findet eine eineinhalbstündige Kinderführung statt, am 10. November 2024 eine zweistündige Führung für Erwachsene. Beide Führungen sind kostenlos, um Anmeldung wird gebeten: info-barnim-panorama@wandlitz.de
Ofen- und Keramikmuseum Velten: Die Kunst der Wärme
Das Ofen- und Keramikmuseum in Velten erzählt eine Geschichte, die nicht oft erzählt wird: die Kunst- und Kulturgeschichte des Heizens. Mit prächtigen historischen Objekten aus 300 Jahren zeigt das Museum, dass Öfen trotz ihrer schlichten Notwendigkeit meist auch Kunstwerke und Statussymbole waren.
In den Räumen der historischen Ofenfabrik A. Schmidt Lehmann, einst Deutschlands führender Produktionsstätte für Kachelöfen, können Besucher das reiche keramische Erbe der Region erkunden. Hier befindet sich auch das Hedwig-Bollhagen-Museum, das seit 2015 in der ehemaligen Remise der Fabrik ausgewählte Werke der renommierten Keramikerin zeigt. Hedwig Bollhagen (1907-2001) erlangte internationale Anerkennung für ihre funktionale und ästhetisch anspruchsvolle Keramik, die sie schon früh in Serie produzieren ließ. Das Goethe-Institut zeichnete sie 1997 als eine der zehn bedeutendsten deutschen Gestalterinnen aus.
Ergänzend zur Dauerausstellung werden im Herbst und Winter verschiedene Themenführungen angeboten: Am 26. Oktober 2024 lädt der Aktionstag „Feuer und Flamme“ dazu ein, in die bewegte Geschichte der bis 2016 betriebenen Ofenfabrik einzutauchen. Die Familienführung beginnt um 14 Uhr und wird durch eine Tonentdeckerwerkstatt, Handwerksvorführungen und ein gemütliches Café ergänzt.
Am 14. und 15. Dezember 2024 lädt das Museum jeweils um 14 Uhr zu stimmungsvollen Adventssonderführungen ein. Um Anmeldung wird gebeten: info@okmhb.de
ZCOM: Wie Computer das Rechnen lernten
Zeitreise zum Beginn des digitalen Zeitalters: Im ZCOM - Zuse-Computer-Museum in Hoyerswerda begegnen Familien dem wichtigsten Pionier der modernen Rechentechnik: Konrad Zuse. Der Erfinder des ersten funktionsfähigen Computers der Welt, des Z3, wirkte viele Jahre in Hoyerswerda. Sein später gegründetes Unternehmen, die Zuse KG, leistete Pionierarbeit auf dem Weg zur modernen Computerindustrie und war Wegbereiter der digitalen Welt, die heute unseren Alltag prägt. Eine Reise durch das ZCOM entführt die Besucherinnen und Besucher auf die Spuren Zuses und zeigt, wie seine revolutionären Erfindungen die Welt für immer verändert haben.
Interessierte können zwischen verschiedenen Führungen wählen, darunter „Die denkende Maschine - eine Zeitreise“ oder „Frau und Computer“. Alternativ kann man sich mit dem kostenlosen Audioguide „HÖR ZUse!“ per App auf die Spuren des Computerpioniers begeben und spannende Details aus seinem Leben erfahren.
Gartenstadt Marga: Die Kleinstadt vom Reißbrett
Die Gartenstadt Marga in Senftenberg ist ein faszinierender Ort. Was aussieht wie eine ganz normale Kleinstadt mit Markt, Kirche, Kaufhaus, Wohnhäusern und Gärten ist komplett am Reißbrett entstanden! Die erste vollständig realisierte Gartenstadt Deutschlands ist ein herausragendes Beispiel für den frühen sozialen Wohnungsbau.
Mit der Erschließung des Braunkohletagebaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand ein dringender Bedarf an Wohnraum für die Arbeiter der örtlichen Brikettfabrik. Insgesamt entstanden 78 Häuser, die von der Dresdner Reformarchitektur und dem Jugendstil geprägt sind. Die Gartenstadt Marga verkörpert die sozialen und städtebaulichen Ideale des frühen 20. Jahrhunderts und vereint großzügige Grünflächen, Gärten und parkähnliche Anlagen zu einer perfekten Symbiose aus Stadtleben und Natur.
Ein modernes, selbsterklärendes Erlebnis- und Wegeleitsystem ermöglicht es den Besuchern, die Siedlung eigenständig zu erkunden. Der Rundgang führt zu insgesamt 11 wichtigen Stationen mit informativen Objekttafeln. Thematische Kurzfilme, die per QR-Code abgerufen werden können, vermitteln interessantes Hintergrundwissen. Zusätzliche Fahrradabstellmöglichkeiten mit E-Ladestationen, Gepäckboxen sowie Sitzgelegenheiten runden einen gelungenen Gartenstadt-Besuch ab.
Den Gästen steht auch eine kostenlose Audioguide-App zum Download zur Verfügung: https://direct.hearonymus.com/guide/1300
Alternativ bietet die Touristinformation Senftenberg auch Führungen durch die Gartenstadt an.
Tabakmuseum Schwedt: Ein vergessenes Kapitel der Uckermark
Tabak aus der Uckermark? In Schwedt, 100 Kilometer nordöstlich von Berlin, wird ein weitgehend vergessenes Kapitel der Regionalgeschichte aufgeschlagen. Die Industriestadt Schwedt ist heute vor allem für ihre Erdölraffinerie bekannt. Nur wenige wissen noch, dass es hier einst eine florierende Tabakindustrie gab. Im Gedächtnis der Bewohner des heutigen Ortsteils Vierraden und in ihrem Brauchtum ist die Vergangenheit jedoch noch lebendig. Der Tabakanbau brachte den Bauern über Jahrhunderte Wohlstand. Das feiern die Einwohner noch heute mit dem jährlichen Tabakblütenfest.
In Vierraden befindet sich auch das heutige Tabakmuseum mit einer Ausstellungsfläche von 500 Quadratmetern. Zahlreiche historische Maschinen und Geräte veranschaulichen den arbeitsintensiven Anbau der subtropischen Pflanze und die Verarbeitung des Tabaks in der Region. Im Freigelände können die Besucher an Schaubeeten die verschiedenen Tabaksorten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien erleben.
Erwachsene tauchen bei Führungen in die Geschichte der Tabakindustrie in Schwedt und der Uckermark ein. Für Kinder und Jugendliche bietet das Museum eine GPS-Rallye mit iPads an, bei der spielerisch interessante Orte in der Region erkundet werden, die eng mit der Geschichte des Tabaks verbunden sind. Führungen werden von Mai bis September zu den Öffnungszeiten des Tabakmuseums angeboten. Eine Reservierung wird empfohlen. Am 29. September 2024 geht das Tabakmuseum in die Winterpause. Die neue Saison beginnt am 2. Mai 2025