1. Juni 2010, Reisenews
Die Welt zu Gast im östlichen Ruhrgebiet
Das Kulturhauptstadtprojekt Biennale für Internationale Lichtkunst geht mit 90.000 Besuchen nach zwei Monaten zu Ende.Rund 90.000 Mal klingelte es in der Zeit vom 28. März bis 27. Mai 2010 an 60 privaten Räumlichkeiten der Städte Bergkamen, Bönen, Fröndenberg/Ruhr, Hamm, Lünen und Unna. 60 Privaträume, deren Bewohner ihre Wohnzimmer, Kinderzimmer, Schwimmbäder, Garagen, Partykeller, Fitnessräume etc. als Ausstellungsräume für Kunstwerke von international renommierten Künstlern zur Verfügung stellten. Am gestrigen Donnerstag ging die Biennale für Internationale Lichtkunst – einem der außergewöhnlichsten Projekte der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 – zu Ende.
Menschen aus der ganzen Welt zog es in den vergangenen Wochen in die sonst eher unbekannten Städte der Europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010: Besucher aus China, Japan, Australien, Kanada, USA, Holland, Tschechien, Polen, Ungarn, Italien, Österreich, Schweiz, England, Frankreich und ganz Deutschland machten sich auf den Weg, um möglichst viele der Kunstwerke zu sehen. Sie fuhren mit dem Lichtbus oder erkundeten die Gegend mit dem PKW oder per Fahrrad. „Gegen Ende der Biennale hat sich eine regelrechte Sammelleidenschaft entwickelt, bei der die Besucher unbedingt alle 60 Orte sehen wollten. Teilweise waren bis zu 200 Menschen an einem Tag in einer Wohnung“, berichtet der künstlerische Leiter Matthias Wagner K. Er sei sehr zufrieden mit dem Verlauf der Biennale, weil das Projekt ein internationales Publikum in diese eher unbekannte Region locken konnte und die Resonanz der Besucher durchweg positiv war. Ebenfalls sei es auch zu besonderen Begegnungen zwischen den Menschen gekommen. So berichten die Wohnungsbesitzer von spannenden Gesprächen mit den Besuchern aus aller Welt, von einem Ehepaar aus Kiel, dass sich nach einem Tag Biennale dazu entschloss den ganzen Urlaub mit dem Besuch aller 60 Orte zu verbringen, von Leuten, die einfach auf dem Sofa sitzen bleiben – eine Stunde lang, von einem Ehepaar aus Amsterdam, deren Besuch während einer Geburtstagskaffeetafel stattfand und die spontan singend mitfeierten.
Besonders stark frequentiert wurden die Standorte, die zentral lagen und in denen Künstler mit bekannten Namen ausstellten: der leuchtende Kristall der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury in einem Kinderzimmer in Unna, die Arbeit von Spencer Finch auf dem Dachstuhl eines Bestattungsunternehmens in Unna, eine Arbeit von Christian Boltanski im Esszimmer einer Familie in Fröndenberg/Ruhr, das Schriftwerk von Jenny Holzer in einem Wohnraum in Unna, ein Gemeinschaftswerk von Olafur Eliasson und Tobias Rehberger in einem Wohnzimmer in Bergkamen oder eine Arbeit von Joseph Kosuth in einem Hauswirtschaftsraum in Bergkamen. Doch auch Werke noch junger Künstler entwickelten sich zu Besuchermagneten: so faszinierte die Installation von Jan-Peter E.R. Sonntag, der die Mühle eines Biobauernhofes in Bönen in grünes Licht von noch nie gesehener Intensität tauchte, der Schriftwasserfall „bitfall“ von Julius Popp im privaten Schwimmbad einer Gastgeberin aus Unna oder aber ein mit Musik und Licht poetisch inszeniertes Motorrad des isländischen Künstlers Egill Saebjörnsson auf dem Dachboden eines Hauses in Hamm.
Für viele der 60 Haushalte wird es nach dem Abtransport der Werke ruhig werden. Bei aller Freude über diese neue Ruhe, vermissen viele schon jetzt „ihr“ Kunstwerk. „Wir haben uns so an das orange Licht gewöhnt – es wird erstmal komisch werden, wenn das alles weg ist. Wir haben die letzten Wochen damit gelebt“, sagt Frau Richter aus Bergkamen, bei der die Künstlerinnen Anny & Sibel Öztürk das komplette Fenster im Wohnzimmer zugebaut hatten. Zwischen den Künstlerinnen und dem Ehepaar Richter hat sich im Laufe der Zeit eine enge Freundschaft entwickelt. Dies gilt auch für viele weitere Gastfamilien und Künstler, bei denen sicherlich auch künftig ein Austausch stattfinden wird – sei es privat oder beruflich.
„Die Biennale hat weit über die Region und die Metropole Ruhr ausgestrahlt. Sie hat zahlreiche Menschen um ein gemeinsames Ziel zusammengeführt und einen neuen Blick auf Kunst ermöglicht. Dass ihr von der nationalen und internationalen Presse ein „sich-messen-können“ mit den großen internationalen Biennalen bescheinigt wurde, freut uns sehr und darf als Erfolg und Ansporn für die nächste geplante Biennale angesehen werden,“ sagt Matthias Wagner K. Die Biennale ist als eine alle zwei Jahre in NRW stattfindende Kunstausstellung geplant, bei der stets der Austragungsort, das Konzept und der Kurator wechseln sollen.