24. Oktober 2012, Österreich
Die Toten sind Kult in Wien
Schon zu Lebzeiten beschäftigen sich die Wiener mit dem Tod: Sie besingen ihn, spielen mit ihm, bauen ihm Denkmäler. Der Kult um den Tod ist schaurig-lustvolles Ereignis und strategischer Schachzug gegen die Endlichkeit aller Dinge.
Der Tod ist das letzte Fest des Lebens – und will, so traurig es ist, würdig begangen sein: Die Gräber der Wiener geben Zeugnis davon. Besonders am Zentralfriedhof, wohin die Stadt Wien zunächst die Gräber einiger Persönlichkeiten verlagerte – allen voran Beethoven und Schubert – und damit den Grundstein für einen der würdevollsten Friedhöfe überhaupt legte. Die wichtigsten Bauwerke, Haupttore, Aufbahrungshallen, Wartesäle und die zentrale Friedhofskirche stammen aus dem Jugendstil.
Verloren und geheimnisvoll liegt hinter einer Backsteinmauer in Döbling der Jüdische Friedhof. Neben jenem von St. Marx ist er der zweite erhaltene Friedhof aus dem Biedermeier. Nur mit Führung zu besichtigen*, erzählt er von der Bedeutung der Juden im 19. Jahrhundert und ihrer Bereitschaft zur Assimilation. Gruftkapellen wurden mit floralen Ornamenten des Klassizismus geschmückt und die Gräber der türkischen Juden sind vom Orient inspiriert, teils wurden sogar Elemente des Koran in die Grabsteine gemeißelt.
Im Bestattungsmuseum, eine andere Wiener Besonderheit, ist zu sehen, in welcher Epoche man in welchem Sargmodell begraben worden wäre. Darunter ist auch der mehrfach genutzte josefinische Sarg, der nicht mit ins Grab versenkt wurde, sondern oben blieb. Es öffnete sich nur die Bodenklappe. Persönlicher waren da Särge, die man bei bester Gesundheit bestellte und die zu Lebzeiten, freundlich bemalt, als Kasten dienten.
Die Augustiner Kirche beherbergt eines der schönsten Grabmäler Wiens: Antonio Canova hat die trauernde Figurengruppe, die vom Betrachter abgewandt einer Grabpyramide zustrebt, 1805 in weißem Marmor in Szene gesetzt. Hier liegt die Lieblingstochter Kaiserin Maria Theresias – und geliebte Frau ihres Mannes. Der Schmerz über diesen Abschied teilt sich durch die Darstellung mit.
In den Katakomben der nahe gelegenen Michaelerkirche trägt der Tod ein anderes Gesicht: Durch die klimatischen Bedingungen der Gruft wurden die Leichen mumifiziert. In spaltbreit geöffneten Särgen sieht man Tote mit über der Brust gekreuzten Armen. Auch das Gewand ist erhalten – seit über 300 Jahren.
In der Kapuzinergruft hingegen wurden seit 1633 die Herrscher aus dem Hause Habsburg und ihre nächsten Angehörigen bestattet. Unter den 140 Särgen sticht der Sarkophag von Maria Theresia hervor, der einzigen Frau auf Habsburgs Thron: Gemeinsam mit ihrem Mann, der mit ihr bestattet ist, sitzt sie auf einem Kissen, die Beine ausgestreckt und mit der Hand spielerisch ein Schwert umfassend.
Bei allem Pomp, der Tod ist Wirklichkeit. Und weil man ihn in der Stadt von Sigmund Freud doch nicht verdrängen kann, lädt man ihn ins Leben ein. In vielen, auch modernen Wiener Liedern wird er stimmungsvoll besungen – damit er vielleicht doch, als Freund, die Finger von einem lässt, wenn’s drauf ankommt.
Zentralfriedhof
Der bedeutendste Friedhof Wiens ist die letzte Ruhestätte für Menschen aller Religionen. Der Wiener Zentralfriedhof ist aber nicht nur Stätte der Totenruhe: Die Parklandschaft mit beeindruckender Flora und Fauna stellt einen Ort der Erholung und Besinnung dar. Hedwig Abraham bietet eine Reihe an spannenden Führungen im Wiener Zentralfriedhof für bis zu 30 Personen an. Anfragen, Buchungen unter Tel.: +43 6991 8124423
Wiener Zentralfriedhof
Haupteingang: Tor 2
Simmeringer Hauptstr. 234
1110 Wien
www.viennatouristguide.at
www.friedhoefewien.at
Jüdischer Friedhof Währing
Der Jüdische Friedhof in Währing kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Anmeldung unter: juedischer.friedhof@gruene.at oder bei Sabine Pfeifer unter Tel.: +43 1 400081581.
www.waehring.gruene.at
Bestattungsmuseum
Mit 1000 Objekten bietet es einen weltweit einzigartigen Gesamtüberblick über Totenkult und Bestattungsrituale, die Bundeshauptstadt Wien bildet dabei den Schwerpunkt. Die Thematik Sterben und Tod wird anhand der gezeigten Exponate in pietätvoller Weise als kulturelle Drehscheibe des Vergänglichen präsentiert, wodurch ein nachvollziehbarer Übergang zum heutigen Totenkult geschaffen wird.
Die Besichtigung ist nur im Rahmen einer Führung möglich. Eine telefonische Voranmeldung ist erforderlich.
Bestattungsmuseum Wien
Goldegggasse 19
1040 Wien
Tel.: +43 1 50195-0
www.bestattungwien.at
Michaelergruft
Die Michaelergruft unter der gleichnamigen Kirche in der Innenstadt zählt zu den verborgenen und doch bedeutenden Kulturdenkmälern der Stadt.
www.michaelerkirche.at
Kapuzinergruft
www.kaisergruft.at
Katakombenführungen unter dem Stephansdom
Führungen durch die Katakomben finden ganzjährig statt. Die Dauer der Führung beträgt etwa 30 Minuten.
www.stephanskirche.at
St. Marxer Friedhof
Heutzutage kommen zahlreiche Gäste aus aller Welt, um vor allem das Mozart-Grab in St. Marx zu besuchen. Mozart starb 1791 und wurde in einem Armengrab auf dem St. Marxer Communalen Friedhof beigesetzt.
St.-Marxer-Friedhof
Leberstraße 6 – 8
1030 Wien
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.austria.info
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