17. April 2014, Nordrhein-Westfalen
Zu Flamingos, Kommissaren und alten Römern
Start in die Fahrradsaison14.000 Kilometer durch Berge, Wiesen und Täler, vorbei an Industriedenkmälern, Schlössern oder Naturschauspielen: Das nordrhein-westfälische Radwegenetz bietet viel Abwechslung. Und hinzu kommen immer neue Angebote - auch in diesem Jahr. Aber auch unter den bestehenden Routen gibt es noch einige eher unbekannte Schätze zu entdecken.
So die Flamingo-Route durch das Münsterland und die angrenzenden Niederlande: Wie der Name schon verrät, führt sie zu der Hauptattraktion des Zwillbrocker Venn, der nördlichsten Flamingo-Brutkolonie Europas. Die langbeinigen Vögel sind meist von März bis Juli, bei erfolgreicher Brut sogar bis September zu beobachten, besonders gut von den extra dafür eingerichteten Beobachtungskanzeln aus. Der Rundkurs auf der Route ist etwa 450 Kilometer lang und auch für Ungeübte geeignet, da es praktisch keine Steigungen gibt. Neben Flamingos und anderen Naturschauspielen bietet die Route auch hübsche Orte, Schlösser und Herrensitze.
Ein außergewöhnliches Naturerlebnis bietet auch die Bislicher Insel bei Xanten. Das Naturschutzgebiet am Niederrhein liegt in einer der letzten Auenlandschaften Deutschlands und ist das Zuhause unzähliger Vogelarten und seltener Wasserpflanzen. Für sein Engagement zum Erhalt des Lebensraums Auenlandschaft wurde das dortige Naturforum als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet. Radler können den rund 2,5 Kilometer langen Radweg über die Insel nehmen. Unweit entfernt hält eine Fahrradfähre, sodass sich der Weg gut mit weiteren Touren am Niederrhein verbinden lässt.
Wer sich eher für Burgen und Schlösser interessiert, ist auf der Wasserburgen-Route richtig. Die 470 Kilometer lange Strecke führt am Rande der Eifel und der Kölner Bucht entlang durch die wasserburgenreichste Region Europas. Neben über 120 Burgen und Schlösser passiert sie unter anderem verschiedene historische Ortszentren, Klöster und Mühlen.
Viele Schlösser gibt es auch auf der "100 Schlösser Route" im Münsterland zu bestaunen. Sie ist allerdings längst kein Geheimtipp mehr, sondern gilt als Königin unter den Radwegen in Deutschland. Auf einer Strecke von 960 Kilometern führt sie durch die grünen Parklandschaften des Münsterlands, vorbei an romantischen Burgen, Wasserschlössern und Herrenhäusern, aber auch an imposanten Schlossgärten und Parkanlagen.
Auch die Römer-Lippe-Route hat sich bereits zu einer beliebten Strecke gemausert, obwohl sie erst 2013 eröffnet wurde. Die Route startet am Hermannsdenkmal bei Detmold und folgt dann Nordrhein-Westfalens längstem Fluss bis zur Mündung in den Rhein bei Wesel. Auf 295 Kilometern verbindet sie Fundstellen früherer Römerlager mit Römermuseen und speziellen Rast- und Aussichtspunkten.
Einen wesentlich jüngeren, aber nicht weniger interessanten Teil der Geschichte präsentiert die "Bundesviertel und Bad Godesberg Route" in Bonn. Auf rund 20 Kilometern verbindet sie zahlreiche sehenswerte und geschichtsträchtige Orte aus der bundesdeutschen Geschichte und Gegenwart wie die Bonner Dienstsitze der Bundeskanzlerin und des Bundespräsidenten, das Palais Schaumburg und die Villa Hammerschmidt, sowie den ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestags.
Wer es ruhiger mag, kann sich auf den Weg in den Teutoburger Wald machen. Die dortige Kloster-Garten-Route führt Radfahrer zu sieben grünen Oasen der klösterlichen Spiritualität. Auf den 190 Kilometern geht es aber auch vorbei an anderen touristischen Sehenswürdigkeiten wie dem Orgelmuseum in Borgentreich, dem Weser-Skywalk in Beverungen und Schloss Corvey in Höxter, das darauf hofft, dieses Jahr in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen zu werden.
Eine abwechslungsreiche Route ist auch der Erft-Radweg, der zwar weniger bekannt ist als andere Flussrouten in NRW, aber trotzdem viele Highlights am Wegesrand zu bieten hat: unter anderem das mittelalterliche Eifelstädtchen Bad Münstereifel, zahlreiche Wasserburgen, das frühere Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Gymnich, die Unesco-Welterbestätte Schloss Augustusburg mit dem Jagdschloss Falkenlust, den Tagebau Garzweiler-Süd und die Museumsinsel Hombroich. Insgesamt ist die Strecke rund 110 Kilometer lang und folgt der Erft von der Quelle bei Nettersheim in der Eifel bis zur Mündung in den Rhein bei Neuss.
Neues in der Fahrradsaison 2014
Ein neues Angebot gibt es rund um Soest. Hier wird am 27. April der "Alte Soestweg" offiziell eröffnet. Der frühere Handelsweg, auf dem im Mittelalter Waren transportiert wurden, führt über zwölf Kilometer von Soest bis an den Möhnesee. Mit etwas Glück lassen sich am Wegrand sogenannte Koniks, scheue Wildpferde, und auerochsenähnliche Rinder beobachten, die durch die geschützte Weidelandschaft streifen.
Auch in Duisburg gibt es Neues: Seit dem vergangenen Jahr können sich Fans des früheren Tatort-Kommissars Schimanski dort per Rad auf geführte Touren begeben. Im Premierenjahr ging es nur in den Duisburger Norden, 2014 geht es erstmals auch in den Duisburger Süden zu Originaldrehschauplätzen. Einzelteilnehmer können sich zu bestimmten Terminen anmelden, Gruppen ab zehn Personen können auch individuelle Termine vereinbaren.
Rund um das Bergische Land soll ein bereits begonnenes Projekt in diesem Jahr fertiggestellt werden. Dabei handelt es sich um die "Panorama-Radwege", ein neues Radwegenetz, das das Bergische Land, das Sauerland und das Ruhrgebiet miteinander verbindet. Obwohl die Landschaft durchaus hügelig ist, sind große Teile des 314 Kilometer langen Netzes auch für eher Ungeübte zu schaffen. Denn 176 Kilometer Radwege verlaufen über stillgelegte Bahntrassen, die nur mäßig ansteigen. Die Beschilderung der Wege ist noch nicht in allen Bereichen fertiggestellt. Bis Ende 2014 soll sich dies aber ändern.
Auf Mountainbiker wartet im Sauerland demnächst ein neues Angebot: der erste Trailpark Westdeutschlands. Das rund 20 Kilometer lange Streckennetz besteht aus eigens für Mountainbiker angelegten Trails, die abwechslungsreicher als reine Cross-Country-Strecken sind, aber deutlich einfacher zu befahren als die Abfahrten im bereits bestehenden Bikepark. Der Trailpark wird Strecken verschiedener Schwierigkeitsstufen bieten und auch über einen Übungsparcours verfügen. Befahrbar ist der Park mit regulären Mountain- und Trekkingbikes, aber auch mit E-Bikes. Die Eröffnung ist für Oktober 2014 geplant.
Radeln auf ausgezeichneten Wegen
Neben den neuen oder eher unbekannteren Strecken gibt es aber natürlich auch die prämierten Routen in NRW. Aktuell sind sieben Radrouten, die durch das Land verlaufen, vom ADFC als Qualitätsrouten zertifiziert. Fünf von ihnen tragen drei Sterne, zwei dürfen sich sogar mit vier Sternen schmücken, darunter der RuhrtalRadweg, der laut ADFC-Radreiseanalyse 2014 zu den zehn meistbefahrenen Radfernwegen in Deutschland gehört. Er verläuft auf 230 Kilometern von der Ruhrquelle in Winterberg bis nach Duisburg, wo die Ruhr in den Rhein mündet. Ab dem Frühjahr 2014 soll das Ende des Radwegs umgebaut werden. Geplant sind eine attraktivere Wegführung durch die Ruhrauen und neue Rastplätze.
Ebenfalls vier Sterne trägt der EmsRadweg, ein weiterer Flussradweg durch NRW. Radfahrer können den Flusslauf der Ems auf einer Strecke von rund 380 Kilometern auf ruhigen, asphaltierten Wegen und nahezu ohne Steigung von der Quelle bis zur Mündung begleiten. Die Route startet im Teutoburger Wald und führt bis an die Nordsee. Unter anderem geht es dabei vorbei an historischen Städten mit urigen Fachwerkhäusern und durch die Parklandschaft des Münsterlands mit seinen vielen Schlössern.
Frisch prämiert ist auch die Route der Industriekultur im Ruhrgebiet. Auf der ITB in Berlin erhielt sie vom ADFC drei Sterne. Ihr 700 Kilometer langes Radwegenetz verbindet zahlreiche Industriedenkmäler zwischen Duisburg und Hamm. Tagesausflüge sind hier genauso möglich, wie längere Radreisen. Trotz ihres Namens bietet die Route jedoch nicht nur Industrie, sondern entführt auch in die Natur. An vielen Stellen verläuft der Wege parallel zu Flüssen oder schlängelt sich durch Wälder.
Ebenfalls neu unter den Prämierten ist die Paderborner Land Route. Die Drei-Sterne-Route verknüpft auf etwa 250 Kilometern unterschiedlichste touristische Ziele in Ostwestfalen zu einem Rundkurs. Unter anderem geht es nach Paderborn mit seinem Dom aus dem 13. Jahrhundert und dem Heinz Nixdorf Museumsforum, dem größten Computermuseum der Welt. Weitere Stationen sind Altenbeken mit seinem beeindruckenden Eisenbahnviadukt und Lichtenau mit dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenkloster Dalheim. Bei Bad Wünneberg wartet ein Erlebnis-Barfußpfad und in Salzkotten ein Gradierwerk.
Erst seit 2013 gibt den Töddenland-Radweg, trotzdem trägt auch er bereits drei Sterne. Wie sein Name schon verrät, führt er Radler auf die Spuren der Tödden, westfälische Kaufleute aus dem nördlichen Münsterland und südlichen Emsland, die im 17. und 18. Jahrhundert bis nach England und ins Baltikum wanderten, um dort ihre Waren zu verkaufen. Noch heute erinnern Museen, alte Handwerksbetriebe und gut erhaltene Häuser an die erfolgreichen Händler. Der Radweg verbindet viele dieser Erinnerungsorte auf seinem Rundkurs von gut 120 Kilometern.
Zahlreiche Relikte der Bergbaugeschichte sind auf der rund 370 Kilometer langen Grünroute zu sehen, die durch das Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande führt. Aber nicht nur das: Auch Wasserburgen, Nationalparks und Naturdenkmäler liegen an der Strecke und machen die Route so zu einem abwechslungsreichen Erlebnis für Radfahrer. Dem ADFC war dies ebenfalls drei Sterne wert - genauso wie die D-Route 3/Europaradweg R 1. Die 3.500 Kilometer lange Route führt quer über den nördlichen Kontinent – vom französischen Boulogne-sur-Mer bis ins russische Sankt-Petersburg. Seinen Ursprung hat der Weg in Nordrhein-Westfalen: Das heute noch bestehende 275 Kilometer lange Teilstück zwischen Vreden und Höxter war früher einmal unter dem Namen Westfalen-Radweg bekannt, bevor es Teil der Europaroute wurde. Unter anderem führt die Strecke vorbei am Schloss Corvey, durch das Zwillbrocker Venn und zum bekannten Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald. Vom ADFC ist der Weg als Qualitätsroute mit drei Sternen ausgezeichnet worden.
Technische Helfer
Wer sich nicht fit genug für die Berge im Teutoburger Wald oder im übrigen Land fühlt, der kann einfach vom Rad aufs E-Bike umsteigen. An immer mehr Stationen in NRW bieten Radverleihe inzwischen auch die elektrisch betriebenen Räder an. Einige Regionen wie das Sauerland und die Nordeifel haben Übersichtskarten herausgebracht, auf denen beispielsweise Verleih- und Akkuladestationen verzeichnet sind. Zudem schlagen sie auf ihren Internetseiten spezielle Touren für E-Biker vor. Die Verleihstationen im Teutoburger Wald sind in den Teuto-Navigator, einen interaktiven Online-Routenplaner, eingepflegt.
Für Touren durch die RadRegionRheinland gibt es die inzwischen preisgekrönte Fahrrad-Navigations-App "QuoRadis". Neben bekannten Themenrouten wie dem RheinRadWeg oder dem Wasserquintett stehen neu zusammengestellte Touren zu den Themen Kultur, Natur, Genuss, Geschichte und Architektur zur Verfügung. Angeboten werden unter anderem Touren zu Mühlen, Schlössern, historischen Denkmälern, Industrieanlagen und Burgen. An ausgewählten Orten können Multimedia-Beiträge abgerufen werden, die in kurzen Filmen einen Einblick in Gebäuden gewähren, zu denen Besucher keinen oder nur eingeschränkten Zugang haben. Eingebunden in die App sind neben den Routenplänen auch Informationen zu Gaststätten oder Hotels am Wegesrand. Auf der ITB 2014 wurde die App mit einem Preis für touristische Innovationen ausgezeichnet.
An radelnde Naturliebhaber richtet sich das neue Portal "Natur erleben NRW", das im März 2014 vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Naturschutzbundes Deutschland und der Fachhochschule Münster gestartet wurde. Über die Plattform haben Radler die Möglichkeit, ein- und mehrtägige Touren zwischen 200 ausgewählten Naturschutzgebieten zusammenzustellen. Über eine App können auch unterwegs Informationen über die aktuelle Route und Sehenswürdigkeiten abgerufen werden.
Kirchliche Ziele vereint das Portal "Pfarr-Rad", das 2013 vom Erzbistum Köln ins Leben gerufen wurde. Auf dem ersten kirchlichen Fahrradportal Deutschlands werden unterschiedliche Touren mit ihren kirchlichen, aber auch kulturellen Zielen an der Strecke vorgestellt. Das Besondere dabei ist, dass jeder seine eigene Tour vorbei an Kirchen, Kapellen und Klöstern einstellen und mit Text und Bildern präsentieren kann. Alle verfügbaren Touren können ausgedruckt oder auf GPS-Geräte heruntergeladen werden.
Wer einen Routenplaner für das ganze Bundesland sucht, greift am besten auf den Routenplaner NRW zurück. Hier können Routen von Haustür zu Haustür geplant werden. Daneben werden schöne Radrouten vorgestellt. Für den ADFC ist der Planer das weltweit führende Produkt seiner Art.
Insgesamt verfügt NRW über ein Radwegenetz von rund 14.000 Kilometern, das alle Städte und Kommunen im Land mit einem einheitlichen Wegweisesystem verbindet. Deutschlandweit ist das einmalig. Und auch die fahrradfreundlichste Stadt liegt in NRW: Beim Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) konnte sich Münster bereits mehrmals den ersten Platz sichern. Das Münsterland und das Emsland gehören laut ADFC-Radreiseanalyse 2014 zudem zu den zehn beliebtesten deutschen Radreisedestinationen in Deutschland. Unter den meistbefahrenen deutschen Radfernwegen waren mit dem Weser-Radweg (3), dem Rheinradweg (5) der Emsland-Route (8) und dem RuhrtalRadweg (10) gleich vier Radrouten, die durch NRW verlaufen. Die Emsland-Route und der RuhrtalRadweg waren dabei erstmals in den Top Ten vertreten.
Ein Überblick über weitere schöne Radrouten, teilweise speziell auch für E-Biker, findet sich im Internet unter www.dein-nrw.de.