23. Mai 2011, Dänemark
Strände, Städte, Fjorde - Mit dem Wohnmobil durch Jütland
Dänemark-Reportage
Wo Schleswig-Holstein in Südjütland übergeht und wo sich ein Großteil der dänischen Geschichte abgespielt hat, scheint die Zeit stillzustehen. In der flachen Landschaft wechseln sich Heide, Dünen, Wälder und Marschen ab, unter dem knallblauen Himmel präsentiert sich die Postkartenidylle bunter Fachwerkhäuser in historischen Örtchen.
Hier finden sich auch die schönsten Strände Nordeuropas, mit feinem Sand und wilder Natur auf der Westseite, während die liebliche Ostküste geradezu ein Badeparadies für Kinder ist. In den Dünen hört man die Brandung rauschen, während Wind, Wetter und Flugsand immer neue Formen in dieser einzigartigen Landschaft modellieren.
Das alles wollen wir in den nächsten Wochen mit unserem Wohnmobil erkunden. An den schönsten Stränden unsere Decke ausbreiten, durch verschlafene Städtchen bummeln und natürlich auch die tollen Campingplätze Jütlands kennen lernen.
Stockrosen und Kopfsteinpflaster
Erste Station ist für uns Ribe, die älteste Stadt Dänemarks und gleichzeitig Touristenmagnet. Auch wenn im Sommer Scharen von Urlaubern mit Fotoapparat und Stadtplan durch die alten Straßen pilgern, behält die alte Bischofsstadt ein besonderes Flair. Auch wir sind unterwegs mit Fotoapparat und festem Schuhwerk, das wegen des Kopfsteinpflasters durchaus angebracht ist. Und schon tauchen wir ein in die Vergangenheit. Obwohl wir uns vorkommen wie in Rothenburg ob der Tauber, genießen wir die wohl schönste Stadt Jütlands.
Unsere Auge werden verwöhnt von kleinen Details in geschnitzten Türen, geschmückten Fensterrahmen und gepflegten Gärten. Stockrosen ranken aus den holprigen Bürgersteigen und das Kopfsteinpflaster ist teilweise so uneben, dass unser Spaziergang einem Hindernisparcours ähnelt. In vielen Fenstern der puppenstuben-ähnlichen Behausungen fallen mir Porzellanhunde auf, die eine alte Tradition haben.
Wenn der Hausherr auf See war, schauten diese Hunde aus dem Fenster, was ein Signal für eine "sturmfreie Bude" gewesen sein soll. So jedenfalls behaupten böse Zungen. Woher diese Figuren stammen, darüber hüllt man sich in Schweigen. Doch man weiß, dass sie bei den Damen des horizontalen Gewerbes in Gebrauch waren, ...ein Hundsfott, wer Schlechtes dabei denkt...
Blauer Berg und rote Route
Von Ribe ist es ein Katzensprung bis nach Henne Strand, in der Sommersaison eine Ferienhausmetropole, die fest in der Hand deutscher Urlauber ist. Dänisch ist dann hier Fremdsprache. Hier spürt man das Jod förmlich in der Luft, das kristallklare Wasser lädt zum Baden ein und die feinsandigen und weißen Strände sind sauber. Mit etwas Glück kann man sogar Bernstein im nassen Sand finden. Die Kleinsten bauen Sandburgen und spielen, während die Größeren sich auf den zahlreichen Spielplätzen austoben.
Hinter den Dünen liegen einzigartige Heide- und Waldgebiete, die zu herrlichen Wanderungen einladen. Wie zum Beispiel der Blåbjerg, oder auch „Blauer Berg“ genannt. Direkt bei Henne Strand gelegen und mit 64 Metern die höchste Erhebung Süddänemarks. Es gibt eine Wanderkarte mit unterschiedlich langen Touren. Die „Rote Route“ ist gerade mal 2,5 Kilometer lang, führt durch dichten Wald und über Anhöhen, von denen man einen herrlichen Rundblick hat. Nicht sehr anstrengend und auch für den Nachwuchs geeignet. Allerdings nicht mit Kinderwagen.
Urlaub in Jütland: das heißt Strandleben, Reiten oder Angeln und ausgedehnte Radtouren. Radroutenkarten sind für verschiedene Regionen bei den jeweiligen Touristeninformationen erhältlich. Strandkörbe gibt es in Westjütland nicht, dafür aber kostenlose Parkplätze am Strand. Für sanitäre Einrichtungen braucht man ebenfalls nichts zu bezahlen.
Wer windsurfen möchte, findet hier eines der besten Reviere überhaupt. Die Wellen sind oftmals meterhoch, was die Surf-Enthusiasten förmlich nach Westjütland zieht. Es weht ein starker Wind, und die Sonne lacht vom stahlblauen Himmel, als wir uns auf den Weg über die 35 Kilometer lange Landzunge Holmsland Klit machen. Diese maximal drei Kilometer breite Dünennehrung ist einer der Höhepunkte der dänischen Haffküste.
Im Westen brandet die Nordsee an einen breiten, sandigen Strand mit bis zu 30 Meter hohen Dünen, während im Osten flache Marschwiesen am Ufer des Ringkøbing Fjordes enden. Dazwischen liegen Heideflächen, die mit unzähligen Ferienhäusern bebaut sind. Ein schönes Fleckchen, um einen ungestörten Urlaub zu verbringen. Allerdings ist Dänemarks größter Strandsee zum Baden viel zu flach und schlammig. Dafür aber ein Anglerparadies und ein Surfeldorado par excellence.
Bei dem 3.000-Seelen-Ort Hvide Sande gibt es eine Schleuse, welche die Nordsee mit dem Ringkøbing Fjord verbindet. Mehr als 200 Fischerboote – vom Fjordkutter für den Schollenfang bis zum Hochseetrawler, der mit Schleppnetzen das Meer leerräumt – sind hier beheimatet, ihnen stehen hier sowohl ein Fjord- als auch ein Nordseehafen zur Verfügung.
Horsens, die historische Fjordstadt auf der anderen Seite Südjütlands, wird touristisch oft übersehen. Zu Unrecht müssen wir sagen, denn allein ihre Lage mit Seen, Badestränden und Naturschutzgebiet ist einmalig. Und es gibt ein Mittelalterfestival, das weit über die Grenzen Dänemarks bekannt ist. Für zwei Tage kann man jedes Jahr Ende August dem Mittelalter nachspüren.
Nach Sonnenuntergang kommt das Fest so richtig in Schwung: Im fahlen Licht der rußenden Fackeln bezirzen Minnesänger die Burgfräuleins, Vogelmenschen auf Stelzen schreiten mit Riesenschritten durch die Straßen, und Gaukler führen lautstark dramatische Geschichten auf. Hauptattraktion ist der Quacksalber, der in einer kleinen Marktbude sein eigenes Feuerwerk veranstaltet. Eine Schale mit einer undefinierbaren Flüssigkeit brodelt auf dem offenen Feuer und immer wieder lässt er ein geheimnisvolles Pulver in einer roten Wolke verpuffen. Er zieht alle Register, um das Volk für sein Potenzmittel zu begeistern und spart dabei nicht mit eindeutigen Zweideutigkeiten.
Der Limfjord zeigt seine Zähne
Es geht weiter in die Mitte Jütlands, genauer gesagt zur alten Königsstadt Viborg. „Vammen Camping“ heißt das Zauberwort, wo wir zwei Tage verweilen wollen. Direkt am See Tjele Langsø liegt dieser kleine und wunderschöne Platz, den ich schon von vergangenen Reisen kenne. Und jetzt heißt es: Fahrräder vom Gepäckträger. Es gibt in Dänemark natürlich nicht nur die traumhaft schöne Margeriten-Route, sondern darüber hinaus noch andere unzählige Fahrradwege. „Sternroute Viborg“ heißt zum Beispiel das 34-seitige Büchlein, das wir im Turistbureau erstanden haben. Sieben Routen rund um und durch das 45.000 Einwohner große Kaufmannsstädtchen bilden den Auftakt unserer Reise durch den Norden Jütlands.
Im Zentrum der Stadt beginnen und enden alle Radtouren. Doch bevor es auf die 12 Kilometer lange bordeauxfarbene Route kreuz und quer durch Viborg geht, besuchen wir das Beatles-Museum. Hier werden so manche Erinnerungen wach an eine Zeit, in der wir noch mit Schlaghosen und Blumenhemd gekleidet glaubten, die Welt verändern zu können.
Und danach, den Tagesrucksack geschultert und den Walkman, natürlich mit Beatles-Musik, eingeschaltet. Wir radeln um die beiden Viborger Seen, den Søndersø und den Nørresø, und besuchen den Dichterpark mit seinen Trompeten- und Tulpenbäumen. Vorbei am Kloster der Grauen Brüder und der alten Wallanlage, erreichen wir schließlich wieder den Marktplatz, wo wir uns erst einmal eine kleine Pause gönnen. Die Innenstadt selbst erkunden wir danach zu Fuß.
Es ist nicht weit bis zur Insel Mors, der größten Insel im Limfjord. Als wir die 1.700 Meter lange Brücke über den Salling Sund passieren, zeigt der Limfjord seine Zähne. Es weht ein heftiger Wind, und die Wellen türmen sich zu Ungetümen auf.
Unterwegs im Himmerland
In Nykøbing füllen wir am nächsten Tag unsere Lebensmittelvorräte auf, und außer dem Dueholm Kloster gibt es in dem kleinen Fjordstädtchen nicht viel zu sehen. Da geht es gleich um die Ecke, im Jesperhus Blomsterpark, schon etwas lebendiger zu. Eine Mischung aus Spaßbad, Gartenshow, Terrarium, Vogel-, Schmetterlings- und Freizeitpark. Was früher mal ein kleiner Garten war, hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einer der bekanntesten Attraktionen Dänemarks gemausert. Die Zahl von etwa 300.000 Gästen pro Jahr spricht für sich.
Wir sind nun unterwegs in Himmerland, und der frische Wind vom Limfjord mischt sich mit dem Duft von Strand und wilden Rosen. Spurenreiche Wattlandschaften und kilometerlange Strände prägen das Bild. Wir parken unser fahrbares Zuhause an der majestätischen und 23 Meter hohen Klippe von Ertebølle, ein idealer Platz für ein Bad im Limfjord mit anschließendem Picknick. Vom langen Steg aus springen wir ins nicht gerade warme Wasser und planschen wie die Kinder. Danach genießen wir einen heißen Kaffee, Waffeln mit Vanilleeis und Kirschen und einen unvergesslichen Blick über den Limfjord.
Weiter geht es Richtung Norden, vorbei an niedlichen Ferienhäusern und trutzigen Wehranlagen, wie dem Kloster Vitskøl. Wir verlassen die Hauptstraße, um den kleinen Hafen von Ronsbjerg Huse zu besuchen. Hier kaufen gutgelaunte Urlauber Hering und Heilbutt, und alles sieht nett und freundlich aus. Nur wenige Kilometer weiter entdecken wir einen traumhaften Campingplatz direkt am Strand. Die Abendsonne zeichnet großzügig Konturen in die weite Sandlandschaft, und unsichtbare Vögel singen sich im Dünengras die Seele aus dem Leib. Lichtspiele in verwehenden Fußstapfen, Spurenelemente von menschlichem Leben. Schöner kann es eigentlich nicht sein.
Die Insel war in den 70-er Jahren so etwas wie das Paradies der alternativen Landszene, und heute bekommt man hier viel Ferienhaus für sein Geld. Der dänische Schriftsteller Aksel Sandemose, der in Nykøbing, der einzigen Stadt der Insel, geboren wurde, beschrieb das Eiland mit den Worten: „Mir imponieren die wilde Schönheit und die steilen baumbewachsenen Hänge, wo man durch Täler und über Hügel läuft und über den Fjord schaut, der weit unter einem liegt“. Wollen wir doch mal sehen, ob er mit seiner Behauptung Recht behält.
Zielstrebig steuern wir die 60 Meter hohen Klippen von Hanklit an, eine geologische Rarität an der Nordwestküste der Insel. Hier oben ist die Natur rau, die Häuser sind selten, und die Hügel haben fast färöische Züge. Über kleine Straßen nähern wir uns der berühmtesten Sehenswürdigkeit von Mors. Als wir den kleinen Parkplatz an den Klippen erreichen, ist uns sofort klar: das ist unsere heutige Rast! Außer uns hat schon ein anderer Wohnmobilist aus Kempten eingeparkt, und sofort kommen wir ins Gespräch. Barbara und Franz lieben die Insel, die, wie sie sagen, Dänemark im Kleinformat darstellt.
„Hier bin ich zum Amateurarchäologen geworden“, erzählt uns Franz voller Stolz, und zaubert aus einem Pappkarton einige Steine und Lehmklumpen mit deutlichen Pflanzenmustern hervor. „Auf dem Hanklit herumkrabbeln ist für mich wie Schatzsuche“.
Nach unserem Spaziergang ist in Windeseile der Grill entfacht, und zu viert genießen wir sozusagen Autokino am Meer. Die Sonne will partout nicht untergehen, und das Zusammenspiel von Wasser, Sand und Licht ist es, was den Norden Dänemarks so speziell macht. Drinks werden ausgepackt, wir prosten uns zu, und von drinnen hört man Musikfetzen der Beatles!
Wikinger ohne Heringe
Auf eine lange Geschichte blickt das Städtchen Løgstør im Osten des Limfjords zurück, das vor tausend Jahren eine Wikingerfestung war. Im 16. Jahrhundert wurde es zu einem Zentrum der Heringsfischerei und wandte sich, als die Heringe verschwanden, dem Handel und dem Schiffbau zu.
An der idyllischen Hafenpartie am kleinen Kanal geht man spazieren, oder radelt auf dem alten Treidelpfad ca. vier Kilometer nach Lendrup. Im Hafenbecken tanzen Plastikflaschen, Seetang und kleine Quallen, und die Seemänner und –frauen zurren die letzten Taue fest. Das Fischermilieu spürt man noch gut im Limfjord-Museum, das in dem früheren Haus des Kanalwärters untergebracht ist.
Wir nähern uns der Aquavitstadt Aalborg, die in der ganzen Welt für ihren „Klaren aus dem Norden“ bekannt ist. Und nebenbei gibt es hier die längste Theke Dänemarks. Die Jomfru Ane Gade lockt mit 30 Kneipen und Diskotheken. Hier treffen sich Männer und Frauen aus ganz Skandinavien, die eben doch auch ein bisschen Wikinger sind. Weder Kneipen noch der klare Schnaps üben auf uns einen besonderen Reiz aus, wir suchen Ruhe und Entspannung im Norden Dänemarks.
Unsere letzte Entdeckungstour führt uns auf der Küstenstraße Richtung Norden. Hier gibt’s jede Menge Campingplätze und noch mehr einzigartig schöne Strände. Alle paar Kilometer biegt rechterhand ein Stichweg ab, der zu verträumten Plätzen führt. Keine Spur von künstlich aufgeblasenen Westküstenstränden, die im Sommer überlaufen und außerhalb der Saison gespenstisch und verlassen sind.
Hier stupsen die Wellen sanft gegen den feinen, weißen Sandstrand. Kinder spielen im knietiefen Nass, und weit, weit draußen malen kreuzende Segelboote und Katamarane einen heiteren Ferienhintergrund. Das ist Breitwand-Cinemascope in seiner schönsten Form und wir genießen diesen herrlichen Ausblick der uns wieder einmal bestätigt, wie schön Dänemark doch ist.
Autor: Roland Jung
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.visitdenmark.com