27. April 2012, Österreich
Liebe macht schön! Die noble Tracht der Wälderin
Die Bregenzerwälderinnen gingen den Angreifern unerschrocken entgegen. Als diese sie in ihren weißen Gewändern kommen sahen, machten sie kehrt und flohen: Sie hielten die Frauen für Engel. Seit damals, sagt die Legende, tragen die Wälderinnen dunkle Röcke – um himmlischen Verwechslungen vorzubeugen.
Damals, das war 1647 und am Ende des 30-jährigen Krieges, in dem die Wälderinnen marodierende schwedische Soldaten vertrieben. Dass die Frauen der Sage nach so furchtlos handelten, hat vielleicht mit der Liebe zu tun und mit dem Können der Männer: Seit dem 16. Jahrhundert waren die Vorarlberger aus dem Bregenzerwald als spezialisierte Handwerker und Baumeister auf allen bedeutenden Baustellen Europas begehrt. Ihren Höhepunkt erlebte diese Nachfrage im Barock.
Da die Männer oft lange Zeit von zuhause weg waren, nahmen die Frauen die Belange ihres Lebens – samt Verteidigung – selbst in die Hand. Kehrten die Männer dann in den Bregenzerwald heim, brachten sie als Beweis ihrer Zuneigung exotisch kleidsame Kostbarkeiten aus aller Herren Länder mit – Pelze, Bänder, Goldschmiedearbeiten, besondere Stoffe. Wie Schmuckstücke wurden sie in das Sonntagsgewand aufgenommen: So ist die sogenannte Juppe der Bregenzerwälderin, bestehend aus einem dicht gefältelten, hohen Rock, Mieder, Ärmeln, Fürtuch und Schmuckgürtel, zwar eine der ältesten Frauentrachten des Alpenraums, doch verflochten mit stilistischen Elementen, die von Madrid bis Moskau reichen.
Allein schon ihr Name leitet sich – wie auch die Form – vom französischen Wort „jupe“, der Rock, her. Die schwarze Farbgebung und der geradkrempige Strohhut sind auf spanische Einflüsse zurückzuführen, während sich die mit Pelz verbrämte Kappe an russische Modelle anlehnt. Überhaupt die Hüte: Beim Verlassen des Hauses war seit 1560 eine Kopfbedeckung zwingend vorgeschrieben – und die Wälderin hat sich mit viel modischem Gespür und Varianten gefügt. Denn tatsächlich braucht dieses prächtig glänzende, schwere Kleid – der Rocksaum hat einen Umfang von fast fünf Metern – mit den üppigen Ärmeln und dem breiten Brusteinsatz einen krönenden Abschluss. Häufig war es früher eine Spitzkappe, doch die sieht nur mit aufgesteckten Zöpfen wirklich gut aus; seitdem die Frauen auch andere Frisuren tragen, ist ein malerischer Hut en vogue, der zwar aus dem Museum stammt, doch die Haute Couture neidisch macht. Angelika Kauffmann, berühmte Malerin und hochgeschätzte Freundin von Johann Wolfgang von Goethe, lieferte die Vorlage: Sie hat sich 1781 in der Juppe selbst porträtiert und dabei einen verwegen-verführerischen Hut ihrer Zeit getragen.
In einer einzigen Werkstatt in Riefensberg wird die Juppe heute noch hergestellt; sie ist immer nach dem Maß ihrer Trägerin gefertigt und ein Unikat. Diese Werkstatt ist zugleich Museum und Schaubetrieb: Bei einer Führung erlebt man – vom Glänzend-Machen bis zum Fälteln – die einzelnen Stufen der Veredelung des Rocks. In den Schauräumen begreift man endgültig die hohe, fast höfische Eleganz der Bregenzerwälder Juppe, die mit gebührendem Stolz und weiblicher Noblesse an Festtagen getragen und jedem anderen Gewand seiner reichen Schönheit wegen vorgezogen wird.
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.juppenwerkstatt.at