26. Juni 2013, Hamm, Ruhrgebiet
Klubgesellschaft Hamm ermöglicht Ankauf von zwei Informel-Werken für das Gustav-Lübcke-Museum
Bilder von Hann Trier und Hans Kaiser als Neuzugänge im MuseumDie Klubgesellschaft Hamm hat das Gustav-Lübcke-Museum seit Anfang der 90er Jahre regelmäßig durch den Ankauf von Kunstgegenständen unterstützt. Aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der Klubgesellschaft im Jahr 2011 wurde eine besonders großzügige Spende möglich, die zum Ankauf der Werke „Der Mittag“ (1976) von Hann Trier und „Die großen Räume IV“ (25/1981) von Hans Kaiser führte. Diese beiden Bilder sind dem Museum jetzt offiziell übergeben worden. Das Gustav-Lübcke-Museum zeichnet sich durch seine Sammlung zur Kunst des deutschen Informel überregional aus. Die beiden neu hinzugekommenen Werke sind eine überzeugende Ergänzung des umfangreichen Bestands dieser subjektiven abstrakt-expressiven Kunst der Nachkriegszeit.
Der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Hann Trier (1915-1999) zählt zu den wich-tigsten Protagonisten der ungegenständlichen Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland und die Präsenz seiner Leinwand-, Decken- und Wandgemälde zeigen seine Bedeutung über nationale Grenzen hinaus. Zu seinen weithin bewunderten Arbeiten gehört das Deckengemälde (1972) im Charlottenburger Schloss, eine abstrakte Paraphrase auf das kriegszerstörte Fresko von Antoine Pesne, ein bestechendes Beispiel für die moderne Gestaltung historischer Räumlichkeiten. Wie viele seiner Mitstreiter aus der informellen Szene entschied auch Trier sich für eine den Malprozess reflektierende Malweise, dessen Vorgang er selbst beschrieb: „Malen heißt in zusammenhängendem Ablauf auf überschaubarer Fläche tanzen: Im Fließen, im Staccato, im Anhalten, in der Wiederkehr der Pinselschläge tanzt der Rhythmus. Ich springe in ihn hinein, in dem ich mit dem Pinsel so tanze, dass Tanz sichtbar wird.“ Die mit Eitempera auf Leinwand gemalte Darstellung „Der Mittag“ (1972) steht für die reife Leistung des ebenso geschichtsträchtigen wie geistreichen Hann Trier. Sehr deutlich ist hierin sein übergreifendes Symmetriebewusstsein, das in den beidhändig gemalten Partien und in der harmonischen Farbsetzung dokumentiert ist, zu spüren. Gewagte rote Partien stehen in breiten Pinselstrichen ausgeführten Farbkaskaden aus differenzierten Grau-, Grün- und Blauwerten und kunstvoll abgewandten Halbtönen gegenüber. Das Gemälde weist den Künstler als einen höchst einfallsreichen Koloristen aus, der es verstand, der Wechselwirkung von Farbe und Form immer wieder neue Wendungen zu geben.
Das Gustav-Lübcke-Museum besitzt den großen Teil des künstlerischen Nachlasses von Hans Kaiser (1914-1982). Ein Glücksfall – denn die übereigneten Gemälde, Arbeiten auf Papier, Druckgrafiken, Entwurfskartons zu Fenster- und Wandgestaltungen und Skizzenbücher, ermöglichen einen hervorragenden Überblick über alle Schaffensphasen des in Soest und überregional wirkenden Künstlers. Seine künstlerische gestisch-abstrakte Bildsprache hat Kaiser mit Mitte dreißig vorangetrieben. Auf die nahezu monochrom ausgeführten „Losschreibungen“ folgten seine „Brandbilder“ und daraufhin seine mit skripturalen Elementen versehenen lyrischen Arbeiten. Ein Spätwerk ist die in Mischtechnik auf Japanpapier ausgeführte Komposition „Die großen Räume IV“ (25 / 1981), entstanden kurz vor dem Tod des Künstlers. Ein tiefes Schwarz ist nahezu über den gesamten Malgrund gelegt, nur am unteren Bildrand erstreckt sich ein schmaler roter Farbstreifen anmutend wie eine helle Öffnung oder ein geheimnisvoller Raum. Das Bild hat Landschaftscharakter. Es ist jedoch nicht eine reale Landschaft, sondern eine auf das Wesentliche reduzierte und eine, durch die feine Farbmodulation bewirkt, transzendente Landschaft. Sie ergab sich, im Unterbewusstsein zweifelsohne Vergangenes und Vorausahnendes in sich tragend, aus dem Prozess des Malens heraus. Das Bild drückt Ruhe und Spannung aus; Licht, Farbe und Raum verschmelzen zu einer Einheit, fern aller sichtbaren Erfahrung.
Text: Dr. Diana Lenz-Weber
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.hamm.de/gustav-luebcke-museum